4th International Artist’s Book Triennial in Leipzig, Germany

Theme: “Rabbit & House”

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Time: 22 March – 25 March 2007
Location: Leipzig Book Fair, Germany

To the Leipzig Book Fair I went with the students from Graphic Department, Vilnius Academy of Arts.

DIE INTERNATIONALE
KÜNTLERBÜCHER-TRIENALE VILNIUS / LITAUEN

Ein Paket nach dem anderen, ein Umschlag nach dem anderen öffnete ich und holte Künstlerbü¬cher verschiedenster Art und Größe heraus. Das waren die Bücher, welche zur 4. Internationalen Künstlerbücher-Triennale in Vilnius ankamen. Spannung und Aufregung überwältigten mich, als 200 Künstler aus 35 verschiedenen Ländern ihre Bücher zu dem sehr speziellen Thema der Ausstellung einschickten, besonders, weil es ein so ungewöhliches ist: „Der Hase und das Haus“. Nun haben wir zwei Kubikmeter von Büchern über Hasen und Häuser. Aber waren die Themen der vergangenen Triennalen nicht ebenso selt¬sam: „Diarium: Acht Tage“, „Apokalypse“ oder „23 Sünden“? Könnte es nicht sein, daß gerade ein bestimmtes Thema die Künstler dazu anregt, etwas zu schaffen und an einer Ausstellung teilzu¬nehmen? Haben sie wohl die Beziehung zwischen den Themen bemerkt?

Wenn wir uns die Kataloge der ersten drei Künst¬lerbücher-Triennalen anschauen, so sehen wir, daß einer der Kataloge rot ist, ein anderer gelb, und der dritte grün. Gelb, grün und rot sind die Farben der Litauischen Flagge. Litauen gehört zu den römisch-katholischen Ländern in Europa. Die Themen aller drei ersten Triennalen haben einen Bezug zu christlichen Werten und suchen nach ihnen. Das Thema der ersten Künstlerbücher-Triennale lautete: „Diarium: Acht Tage“. Acht Tage, das sind sieben Tage plus ein Tag. Sieben Tage dauerte die Erschaffung der Welt. Und ist es nicht der achte Tag, an dem wir leben und an dem wir diese wundervolle Welt zerstören – an nur einem Gottestag?

Das Thema der zweiten Künstlerbücher-Trienna¬le, die im Jahr 2000 stattfand, trug den Namen „Apokalypse“. Zur Jahrtausendwende konnte die Ausstellung keinen besseren Namen tragen. Die besondere Zeit bot eine einzigartige Gele¬genheit, sich intensiv mit der Offenbarung des Johannes zu beschäftigen. Viele müssen verblüfft gewesen sein, wie aktuell das Buch der Offenba¬rung auch in unserer Zeit ist, wie es uns erschreckt und letztlich veranlaßt, eine Pause einzulegen und nachzudenken.

Die dritte Künstlerbücher-Triennale wurde im Jahr 2003 eingerichtet und „23 Sünden“ genannt. Viele Künstler fragten mich „Kann ich an der Ausstellung teilnehmen, wenn ich nicht gläubig bin? Was ist mit diesen 23 Sünden gemeint, wenn ich doch nur sieben, acht oder elf Sünden kenne?“ Nun, man könnte die Zahl 23 in Beziehung setzen zum Jahr 2003, wenn die beiden Nullen zwischen 2 und 3 gelöscht werden oder man denkt daran, daß es die 3. Triennale ist. Die Dinge sind mit¬unter ganz einfach – „23 Sünden“, das war nur eine weitere erfolgreiche Provokation, welche die Künstler anregte, sich mit existentiellen Proble¬men, mit der eigenen Befindlichkeit und dem gesellschaftlichem Verfall auseinanderzusetzen. Nicht weniger als 261 Künstler aus 41 Ländern schickten ihre Bücher nach Vilnius – und das ist nicht verwunderlich, sind sie doch das „Salz“ in dieser Welt des Konsums und der Geschäftema¬cherei. (*1)

Jetzt werfen wir einen Blick auf die Farbe des Katalog-Umschlags der vierten Künstlerbücher-Triennale 2006. Die Farbe ist Blau. Das ist die Farbe von Europa, einem Europa „frei“ und „befreit“ von christlichen Werten. Das Europa, welches alte Kulturen und Traditionen einebnet und Grenzen zwischen Gut und Schlecht elimi¬niert. Ein Europa, das sich schnell in Sodom ver¬wandelt. Das Thema der 4. Triennale heißt „Der Hase und das Haus“. Hase und Haus repräsen¬tieren Sinnlichkeit und Materialismus, Wollust und Pragmatismus. Also geht es nicht um die Kar¬nickel aus „Alice im Wunderland“. Die Künstler sind dennoch weder Politiker noch Moralisten. In den meisten „Hase und Haus“-Arbeiten geht es eben um Hase und Haus. Es ist deshalb nicht überraschend, daß die ganze Ausstellung von Hasen dominiert wurde – gerade so, wie es zu Ostern nicht ungewöhnlich wäre.

Die 4. Internationale Künstlerbücher-Triennale Vilnius 2006 ist eine Art Schatzkästchen voller Ideen, das aktuelle Entwicklungen der Richtun¬gen und Trends bei der Künstlerbücher-Herstel¬lung reflektiert. Digitaldruck wird neben oder mit traditionellen Drucktechniken verwendet, wie es auch in Graphikausstellungen zu sehen ist. Langsam wird es zur normalen Sache, daß Zeitungen oder Werbebroschüren aufgestapelt oder verstreut auf dem Fußboden einer Galerie als Druckerzeugnisse teilnehmen an Ausstellungen mit Drucken. Und wenn es in letzten Diskussionen gerade noch darum ging, ob Arbeiten, die in Digitaldruck hergestellt werden, in Graphik-Ausstellungen gehören und was ein digitaler Druck ist und ob das als graphische Technik betrachtet werden kann, sind heute solche Überlegungen ein Ding der Vergangenheit. Außerdem, ein „Abdruck“ meiner Idee auf einem Blatt Papier oder Monitor, die Reflektion eines im Winde wehenden Blattes im Spiegel, die Projektion einer Kupferplatte auf eine Galeriewand – all das sind jetzt Teile einer Graphik-Installation. Deshalb ist es für die Darstellung eines Hasen in einem Künstlerbuch nicht nötig, diesen zu zeichnen oder in Kupfer zu stechen. Es genügt ein Hasenfell und sonst etwas, um Hasen in einem bestimmten Land zu assoziieren. Auf der 4. Künstlerbücher-Triennale finden sich im Unterschied zur Ausstellung drei Jahre zuvor mit „Papier“-Büchern in klassischen graphischen Techniken wie Holzschnitt, Siebdruck oder Lithographie nun auch viele Arbeiten, die in Mischtechniken hergestellt wurden, Kombinationen von Digitaldruck, Zeichnung, Collage, Objekt und so weiter. Ideen materialisieren sich in verschiedener Gestalt. Und es ist absolut unerheblich, welche Ausdrucksform für das Buch verwendet wird. Das wichtigste in der Künstlerbuch-Produktion ist die Beachtung der klassischen Beziehungen zwischen Format und Komposition der Proportionen, Rhythmus, Form und verschiedenen Materialien. Und, wenn es denn ein „bibliophiles“ Buch ist, ein experimentelles oder ein Buchobjekt – es offenbart jedes auf seine Weise die wundervolle und mysteriöse Welt des Künstlerbuchs.

Kestutis Vasiliunas
Curator of the Triennial

(Übertragung ins Deutsche: Jost Braun)

 

© Circle “Bokartas”, Kestutis Vasiliunas

 

 

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